Samstag, 23. August 2008

Zille und die Piktusse

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Die bescheidenen Rummelplätze am Stadtrand gehörten zu den wenigen Stätten des Vergnügens für das Berliner Proletariat in den Jahrzehnten um die vorletzte Jahrhundertwende. Hier war ein wenig Abwechslung vom tristen Alltag in den Fabriken, Mietskasernen und Hinterhöfen zu finden. Insbesondere die Schaubuden ermöglichten Einblicke in eine Welt außerhalb dieser Tristesse, eine Welt voller Exotik und Wunder.

Dabei ging es auf diesen kleinen staubigen Rummelplätzen kaum weniger bescheiden zu. Die Verdienstmöglichkeiten der Schausteller waren so gering wie die Ansprüche des einfachen Volkes im Hinblick auf Zerstreuung. Dessen Zugänglichkeit für vergleichsweise anspruchslose Attraktionen in den Singspiel-Hallen, „Spezialitätentheatern“ und Schaustellungen mutet naiv an. Im Vergleich zur alltäglichen Eintönigkeit aber hatten die lautstark beworbenen „Weltsensationen“ tatsächlich Unterhaltungswert.

Es verwundert nicht, dass dieses Treiben auf Heinrich Zille eine besondere Faszination ausübte. Er zeichnete im wahren Wortsinn ein ungeschminktes Bild des Berliner Rummels vor und hinter den Kulissen – humorvoll und in seiner eigenen Art immer auch mehr oder weniger sarkastisch.


Auf dem Rummel
"Wat schubberst de denn uff de Lola rum. -"
"Na heite als Engel mit det weiße Triko -
da scheint ja allens durch!"


Der Feuerfresser
"Ein Hundeleben! Seit drei Tagen habe ich
noch nichts Warmes in den Mund gebracht."


Als „lichtbildnerischer Notizblock“ diente ihm sein Fotoapparat. Zilles Photoplatten, die u.a. vom Treiben auf dem damaligen Vorstadt-Rummel einmalig authentische Eindrücke vermitteln, wurden erst Ende der 60er Jahre entdeckt.

Einige der gezeigten Schaubuden sind sogenannte „Piktusse“, kleinere Schaustellungen mit sehr bescheidenen Darbietungen, bei denen die Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und dem tatsächlich Gebotenen besonders groß war. Nicht selten wurde das Publikum hier regelrecht „über den Tisch gezogen“, was dazu führen konnte, dass den Betreibern die Spielerlaubnis entzogen wurde.
So ein „Piktus“ war häufig nur Herren zugänglich. Offenherzig bekleidete Damen, mehr oder wenig offene Andeutungen des Rekommandeurs sowie „eindeutig zweideutige“ Abbildungen im Frontbereich ließen erotische Darbietungen oder gar Dienstleistungen erwarten, die i.d.R. nicht geboten wurden. Stattdessen bekam der Besucher Belanglosigkeiten zu sehen. Wollte er mehr, musste er Sonderzahlungen für sogenannte „Extrakabinette“ zahlen, die jedoch wiederum nicht das Erhoffte boten…

Bei den "Rosen aus dem Süden" handelt es sich wahrscheinlich um solch einen Piktus. Auf dem unteren Foto ist die Schaubude von "Fräulein Pauline", der "stärksten weiblichen Athletin und Kanonen-Königin der Gegenwart" zu sehen - "ohne Konkurenz" und "lebend".
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Abbildungen:
Jule Hammer: Buden, Bier und starke Frauen. Hannover 1987 (oben)
Friedrich Luft: Mein Photo-Milljöh. Hannover 1967 (unten)
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Sonntag, 10. August 2008

Tauma

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Auch mein dritter Schaubudenaushang im Stil amerikanischer Sideshow-Banner wurde von einem bekannten Renaissancegemälde inspiriert.

Tauma war eine gängige Bezeichnung für die Illusion einer lebenden Dame ohne Unterkörper, allerdings befand sie sich meistens frei schwebend auf einer Schaukel. Die recht einfache Illusion fand oft in einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Kabinett statt, so dass die schwarze Hose der Dame unsichtbar war.
In der hier dargestellten Version hieß sie häufiger Fatima und war in der Regel eine Spiegelillusion.
Zur Mona Lisa passt Tauma aber ein wenig besser, finde ich.


.Die

Rechts die eigentliche "Tauma" auf einer Schaukel in einem schwarzen Kabinett "schwebend". (Sammlung Nagel)