Samstag, 16. Juli 2022

lost museum III - Stadtmuseum München


... Abflug - und tschüss!

Die seit 1984 bestehende Dauerausstellung "Puppentheater und Schaustellerei" im Münchner Stadtmuseum zählte für mich zum Pflichtprogramm jedes München-Besuchs und immer wieder nahmen mich Exponate wie das Theatrum mundi, Schichtls großer Seilschwenker, die herrlichen Plakate und andere Bildzeugnisse, ausdrucksstarke Figuren, das Panoptikum samt "Anatomischer Venus", die wunderbar in Szene gesetzten Zeugnisse aus der Welt (nicht nur) reisender Puppenspieler oder Tschuggmalls Figurenautomaten gefangen.

Im Sommer 2022 wird die Ausstellung geschlossen, das Stadtmuseum ab 2024 komplett umgebaut und erst in der folgenden Dekade wieder eröffnet. Ob Puppentheater und Schaustellerei wieder einen festen Platz erhalten, bleibt abzuwarten; der einzigartige Charme der Ausstellung aber ist unwiederbringlich verloren.

https://www.youtube.com/watch?v=iO9rkrd2KPM
https://www.youtube.com/watch?v=RO4HywQDqGI


Freitag, 15. Juli 2022

"Der Schlüssel zum Leben

 
500 Jahre mechanische Figurenautomaten“

… lautet der Titel einer sehr ansprechend gestalteten Ausstellung im Dresdner Lipsiusbau.

Die Ausstellung zeigt viele Exponate zum Thema vorwiegend aus verschiedenen Museen der sächsischen Metropole, wobei fantastische feinmechanische Arbeiten für hochadelige Auftraggeber aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die bewundernswerten mechanischen Theater des Landwirts Elias Augst aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie einige zeitgenössische künstlerische Exponate die Schwerpunkte bilden.
Es mag sein, dass „die Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden einen Schatz mechanischer Objekte vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart bewahren, wie ihn kein anderer Museumsverbund aus dem eigenen Bestand zeigen kann“, ein vollständiger Einblick in das interessante und vielschichtige Thema „500 Jahre Mechanische Figurenautomaten“ wird jedoch nicht gegeben. Der Titel der Ausstellung hätte fraglos enger gefasst werden müssen; allzu viele wichtige Aspekte bleiben leider weitgehend außen vor.
Automaten bzw. mechanische Figurentheater reisender Schausteller bzw. Puppenspieler werden beispielsweise fast vollständig auf das „Theatrum mundi“ reduziert.
Mechanische Figurenautomaten waren auf den Jahrmärkten aber in weit größerer Vielfalt zugegen, worauf im Katalog indirekt ein nicht weiter kommentierter Schaustellerzettel auf S.138 hinweist.
Gerade mechanische Theater oder „Automatenkabinette“ mit bisweilen lebensgroßen vollplastischen Figuren oder auch bewegliche Wachsfiguren vor und in den Panoptiken waren von besonderer Wirkung auf das damalige Publikum, wie wir aus literarischen Texten wissen. Der kurze Hinweis auf "Mechanische Theater" mit „Pseudo-Automaten" - die im übrigen nicht erst "in den 1840er Jahren in Deutschland auftauchten" - und die Fußnote auf Katalogseite 139 werden der Bedeutung der verschiedenen Erscheinungsweisen mechanischer Figuren auf den Jahrmärkten nicht gerecht.

Theatrum mundi-Figur - Abbildung aus dem Werbeflyer zur Ausstellung

Freitag, 3. Juni 2022

Und wenn sie nicht gestorben sind, ...



In den verbliebenen Märchenwäldern vermitteln kleine "Schau-Buden" - Grotten, Burgen, Schlösser und vor allem Häuschen verschiedener Märchenfiguren samt entsprechender Einrichtung - auf anachronistische Weise und mit einfachsten Mitteln den Kleinsten Freude und ihren (Groß-) Eltern schöne Erinnerungen.
Per Knopfdruck, bisweilen auch durch Einwurf einer Münze, wird den Szenerien Leben eingehaucht. Zumeist führen die Figuren einige grobe Bewegungen aus, während das entsprechende Märchen aus dem Lautsprecher ertönt. Eingebettet in eine idyllische Umgebung, durch die die Rufe von Pfauen hallen, verströmen einige der älteren Parks eine Atmosphäre, der sich auch viele Erwachsene nicht entziehen können. 


Die einzelnen Märchenszenerien weisen dabei trotz ihrer Simplizität eine entfernte Verwandtschaft zu Wachsfigurenkabinetten, die oftmals Märchen-Szenerien mit beweglichen Figuren enthielten, Pano- bzw. Dioramen und nicht zuletzt mechanischen Theatern auf. Jeder Märchenpark, der etwas auf sich hält, beinhaltet außerdem zumindest ein aufwändigeres Schaustück mit mehreren animierten Akteuren wie beispielsweise eine (Affen-)Kapelle, ein Zwergen-Bergwerk oder einen orientalischen Markt - Highlights, die oft einem Jahrmarkts-Automatentheater früherer Zeiten würdig gewesen wären.



Erste Märchenwälder entstanden bereits vor dem ersten Weltkrieg, andere haben ihre  Anfänge in den 1920er und 30er Jahren. Die weitaus meisten dieser Parks eröffneten jedoch zur Blütezeit des Märchenwaldes in 1950ern und 60ern. 
Diese Blüte währte allerdings nur kurz, bald schon sanken die Besucherzahlen. Viele Parks mussten schließen, andere erweiterten ihr Angebot und entwickelten sich zu mehr oder weniger großen Freizeitparks.*


Um die Jahrtausendwende wurde dieser Niedergang vielerorts gestoppt, in den neuen Bundesländern entstanden sogar neue Märchenwälder als Orte der kindlich-naiven Schaulust und der Illusion einer idyllischen heilen Welt. Es scheint naheliegend, dass sich in diesem Auf und Ab gewisse Zeitströmungen und gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln. 
  


Die Abbildungen stammen von Souvenir-Ansichtskarten aus den 60er und 70er Jahren, weit stimmungsvollere Bilder gibt es hier zu sehen: 
- https://norbert-enker.de/wp-content/uploads/2021/01/norbert_enker_Der_deutsche_Maerchenwald.pdf
- https://www.spiegel.de/geschichte/verwaister-freizeitpark-a-949469.html


* Das von einem Puppenspieler und einem Schausteller gegründete "Phantasialand" bei Brühl beispielsweise ging aus einem Märchenwald hervor. Die bis zum Beginn der 2000er Jahre im Park verbliebenen Märchenhütten sowie weitere animierte Figuren bzw. Szenerien, wie sie beispielsweise in der legendären Gondelbahn zu sehen waren, machten lange Zeit den besonderen Charme des Phantasialandes aus.   
Einen ganz anderen Weg beschreitet man im niederländischen Park "De Efteling", dessen Ausgestaltung konsequent auf den Ideen Anton Pieks aufbaut, der den ursprünglichen, noch bestehenden wunderschönen Märchenwald entworfen hatte:  https://www.youtube.com/watch?v=_sVSrCjglXY