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"Noch nie dagewesen"
"Und was ich Ihnen nun aber zeigen wollte, meine Herrschaften,
das Phänomen einer Kreuzung zwischen Dogge und Kaninchen,
so kann ich Ihnen dieses Phänomen leider nicht zeigen, indem
es erkrankt ist. Aber das Kaninchen und die Dogge, genannt das
rätselhafte Elternpaar - das muß man gesehen haben!"
(Simplicissimus 1908, Sammlung Nagel) |
Die „Parade“, „die Schau vor der
Schau“ insbesondere kleinerer Buden, inspirierte zahlreiche Literaten, Komponisten*, Maler und Grafiker. Oftmals gaben die phantastischen , großspurigen
Anpreisungen vermeintlicher Attraktionen, Sensationen und
„Weltwunder“ Anlass zu humoristischen Auseinandersetzungen mit
dem „Budenzauber“, so bei Karl Valentin**, Heinrich Zille oder Erich Kästner:
Wer hat noch nicht? Wer will noch mal?
Na, wer hat noch nicht? Na, wer will noch mal?
Hier dreht sich der Blödsinn im Kreise!
Hier sehen Sie beispielsweise
den Türkisch sprechenden Riesenwal
und die Leiche im schwarzen Reichswehrkanal!
Und das alles für halbe Preise!
Na, wer will noch mal? Na, wer hat noch nicht?
Hier staunen Sie, bis Sie platzen!
Hier sehen Sie die boxenden Katzen!
Hier sehn Sie die Dame ohne Gesicht
und werden sich wundern, womit sie spricht ...
Feixt nicht, ihr dämlichen Fratzen!
Bild Nummer Eins - geschätztes Publikum -
zeigt uns den Massenmörder Melber.
Das brachte neunundneunzig fremde Menschen um!
Und als hundertsten sich selber.
Der Arme ...
Herz auf Taille. Leipzig 1928)
Die
triste Wirklichkeit, die bei Zille dabei letztlich Thema war, stand
bei vielen Künstlern im Vordergrund. Bekannte Beispiele hierfür
schufen u.a. Fernand Pelez, Hans Baluschek oder Daumier.
Dem inspirierenden Gegensatz zwischen
Schein und Sein wurden von einigen Künstlern dabei metaphorische
oder auch philosophische Dimensionen abgewonnen,** bei anderen stand
ein (sozialkritischer) Realismus im Vordergrund.
In illustrierten Zeitschriften wurde
das Thema in der Regel von der heiteren Seite betrachtet, wobei nicht
zuletzt die Methoden der Rekommandeure auf's Korn genommen wurden,
die gleichsam für die Durchschaubarkeit verbreiteter
Werbemechanismen stehen.
Darüber hinaus lieferte die
Schaubudenparade eine ideale Vorlage für eine ganze Reihe
politischer Karikaturen in satirischen Zeitschriften Frankreichs,
Deutschlands und Englands.
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Im Eifer
Schaubudenbesitzer: „Eintreten!
Eintreten, meine Herrschaften, benützen Sie
die Zeit und
Gelegenheit! Was Sie hier sehen, ist kein gewöhnlicher
Schwindel!“
(aus einer Ausgabe der Meggendorfer
Blätter aus dem Jahr 1897, Sammlung Nagel)
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H.G. Ibels |
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"Eintreten, meine Herrschaften, nur eintreten! Hier ist zu sehen die deutsche Herrlichkeit seit zwanzig Jahren. Jeder Besucher erhält for zehn Fenniche ein rosarotes Glas, wodurch es noch ganz bedeutend viel schöner wird. Hereinspaziert, meine Herrschaften! Wem's nicht gefällt, der kann ja wo anders hin gehen, wo's schöner is. Allens rosarot meine Herrschaften!"
(Simplicissimus 1906, Sammlung Nagel) |
* Das bekannteste Beispiel ist das Ballett "Parade" von Satie, Picasso und Cocteau.
** Mit "Valentins Weltwunder" ist bereits ein eigener Post erschienen.
*** Siehe dazu den Beginn der Einleitung
von „Schaubuden. Geschichte und Erscheinungsformen“
(
www.schaubuden.de).