Freitag, 3. Juni 2022

Und wenn sie nicht gestorben sind, ...



In den verbliebenen Märchenwäldern vermitteln kleine "Schau-Buden" - Grotten, Burgen, Schlösser und vor allem Häuschen verschiedener Märchenfiguren samt entsprechender Einrichtung - auf anachronistische Weise und mit einfachsten Mitteln den Kleinsten Freude und ihren (Groß-) Eltern schöne Erinnerungen.
Per Knopfdruck, bisweilen auch durch Einwurf einer Münze, wird den Szenerien Leben eingehaucht. Zumeist führen die Figuren einige grobe Bewegungen aus, während das entsprechende Märchen aus dem Lautsprecher ertönt. Eingebettet in eine idyllische Umgebung, durch die die Rufe von Pfauen hallen, verströmen einige der älteren Parks eine Atmosphäre, der sich auch viele Erwachsene nicht entziehen können. 


Die einzelnen Märchenszenerien weisen dabei trotz ihrer Simplizität eine entfernte Verwandtschaft zu Wachsfigurenkabinetten, die oftmals Märchen-Szenerien mit beweglichen Figuren enthielten, Pano- bzw. Dioramen und nicht zuletzt mechanischen Theatern auf. Jeder Märchenpark, der etwas auf sich hält, beinhaltet außerdem zumindest ein aufwändigeres Schaustück mit mehreren animierten Akteuren wie beispielsweise eine (Affen-)Kapelle, ein Zwergen-Bergwerk oder einen orientalischen Markt - Highlights, die oft einem Jahrmarkts-Automatentheater früherer Zeiten würdig gewesen wären.



Erste Märchenwälder entstanden bereits vor dem ersten Weltkrieg, andere haben ihre  Anfänge in den 1920er und 30er Jahren. Die weitaus meisten dieser Parks eröffneten jedoch zur Blütezeit des Märchenwaldes in 1950ern und 60ern. 
Diese Blüte währte allerdings nur kurz, bald schon sanken die Besucherzahlen. Viele Parks mussten schließen, andere erweiterten ihr Angebot und entwickelten sich zu mehr oder weniger großen Freizeitparks.*


Um die Jahrtausendwende wurde dieser Niedergang vielerorts gestoppt, in den neuen Bundesländern entstanden sogar neue Märchenwälder als Orte der kindlich-naiven Schaulust und der Illusion einer idyllischen heilen Welt. Es scheint naheliegend, dass sich in diesem Auf und Ab gewisse Zeitströmungen und gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln. 
  


Die Abbildungen stammen von Souvenir-Ansichtskarten aus den 60er und 70er Jahren, weit stimmungsvollere Bilder gibt es hier zu sehen: 
- https://norbert-enker.de/wp-content/uploads/2021/01/norbert_enker_Der_deutsche_Maerchenwald.pdf
- https://www.spiegel.de/geschichte/verwaister-freizeitpark-a-949469.html


* Das von einem Puppenspieler und einem Schausteller gegründete "Phantasialand" bei Brühl beispielsweise ging aus einem Märchenwald hervor. Die bis zum Beginn der 2000er Jahre im Park verbliebenen Märchenhütten sowie weitere animierte Figuren bzw. Szenerien, wie sie beispielsweise in der legendären Gondelbahn zu sehen waren, machten lange Zeit den besonderen Charme des Phantasialandes aus.   
Einen ganz anderen Weg beschreitet man im niederländischen Park "De Efteling", dessen Ausgestaltung konsequent auf den Ideen Anton Pieks aufbaut, der den ursprünglichen, noch bestehenden wunderschönen Märchenwald entworfen hatte:  https://www.youtube.com/watch?v=_sVSrCjglXY

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