Illustration von Rudolf Jank - Programm "Zirkus Schwabylon". München o.J. (Sammlung Nagel) |
Dabei wurde zu allen Zeiten durchaus zwischen einzelnen Gruppen differenziert. Von den verschiedenen Ausprägungen des mittelalterlichen Spielmanns, über die Akrobatentruppen der frühen Neuzeit - bis hin zu den heutigen "Komödianten": Die reisenden Unterhaltungskünstler fanden sich auch im eigenen Selbstverständnis stets an der Spitze des "Fahrenden Volkes".
Petit Journal 1919 (Sammlung Nagel) |
Die nichtsdestotrotz vorhandene grundlegenden Abwertung erfuhr erst mit der Romantik eine Wandlung, die allerdings die distanzierte Haltung weiter Teile der Bevölkerung im Alltag nur wenig beeinflusste. Aspekte wie Heimatlosigkeit, Ungebundenheit und nicht zuletzt das Bild stetiger Wanderschaft korrespondierten eng mit der Vorstellungs- und Ideenwelt der Romantiker, die die Fahrenden insbesondere in der Literatur und der Malerei für sich entdeckten. Nachklänge und Simplifizierungen solch romantisierender Vorstellungen beeinflussen bis in die Gegenwart das Bild des Fahrenden Volkes und seiner Geschichte.
Zutiefst
„romantisch“ war beispielsweise vor allem die im späten 19.
und frühen 20. Jahrhundert verbreitete Vorstellung seit „Urzeiten“
umherziehender heimatloser „Fahrender“, deren Herkunft „ewig
in Dunkelheit gehüllt bleibt“
und die „von Land zu
Land zogen, um nach einem sturmgepeitschten Leben irgendwo hinter
einer Hecke verscharrt werden. Und kein Kreuz, kein Zeichen kündet,
dass da unten ein müdes Herz ausruht vom unsteten Wandern.“
(Signor Saltarino)
Aquarell von Frank Brangwyn, The Studio 1927, Vol.93 |
Tatsächlich
liegt der Beginn des Reisens bei vielen angeblich „uralten“ Sippen Fahrender gar nicht so weit zurück. Zeiten großer
wirtschaftlicher Not führten immer wieder dazu, dass verarmte Teile
der Bevölkerung ihre sesshafte Lebensweise aufgaben. Die letzte
Krisenzeit, die einen deutlichen Anstieg fahrender Gruppen nach sich
zog, waren die Jahre um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und nicht
wenige unserer Komödiantenfamilien haben hier ihre Anfänge.
Andererseits gibt es Genealogien, die sich nicht zu einem ersten
Reisenden zurückverfolgen lassen. Hinzu kommt die in früheren
Jahrhunderten weitgehende Unmöglichkeit der Eingliederung
randständiger Gruppen in die Gesellschaft, die lange
Generationenfolgen als Reisende begründete.
So
gab es zu allen Zeiten unter den Vaganten Artisten, die dem einfachen
Volk ein wenig Abwechslung und Unterhaltung im zumeist recht
eintönigen Alltag bescherten.
Die Welt der Fahrenden blieb für viele Literaten, bildende Künstler und nicht zuletzt Filmemacher von großer Faszination, wobei die Herangehensweisen einem grundlegenden Perspektivenwechsel erfuhren und zunehmend existentielle Themen in den Mittelpunkt rückten.
Titelllustration für "Le Grelot" von Alfred Le Petit 1874 (Sammlung Nagel) |
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