1840 eröffnete in Wien mit dem "Neuen Elysium" in den weitläufigen Kellerfluchten eines ehemaligen Klosters ein "ausgedehntes, mehrere Stockwerke in die Tiefe reichendes Vergnügungsetablissement", dessen prachtvolle Ausgestaltung im Stil der verschiedenen Kontinente mit exotischen Pflanzen und Tieren, Kulissen, Beleuchtungseffekten, nachgestalteten Bauwerken sowie Schaustellungen und fremdländisch kostümierten Musikern, Artisten und Figuranten einen Besuch zu einer unterirdischen Reise durch die Welt werden ließ.*
In der untersten Ebene waren die Kontinente Süd- und Nordamerika sowie Australien nachgestaltet, die die Besucherinnen und Besucher quasi in von Pferden gezogenen Schienen-Waggons durchreisen konnten. Das Ganze entsprach somit bereits weitestgehend "Indoor-Themenfahrten", wie sie heute zu den Attraktionen großer Freizeitparks zählen.
Während das einem eher betuchten Publikum vorbehaltene "Neue Elysium" nur ca. 2 Jahrzehnte bestand, eröffnete um die vorletzte Jahrhundertwende im Wiener Prater mit der ersten "Grottenbahn" ein ungleich einfacher gestaltetes volkstümliches Fahrgeschäft, dem ein weit längeres Leben beschieden war und als Vorläufer der "Geisterbahnen" gilt.
In den Grottenbahnen durchfuhren elektrisch angetriebene Züge, die zumeist als Drachen gestaltet waren, Tunnel mit Szenerien aus fremden Ländern sowie aus der Märchen- und Sagenwelt.
Elias Canetti beschreibt in seinen Kindheitserinnerungen, welch prägende Eindrücke die Prater-Grottenbahn als kleiner Bub auf ihn machte:
"Draußen vor der Grottenbahn, bevor die Fahrt begann, gab es das Maul zur Hölle. Es öffnete sich rot und riesig und zeigte seine Zähne. Kleine Teufel steckten Menschen, die sie an Gabeln aufgespießt hatten, in dieses Maul, das sich langsam und unerbittlich schloss. Aber es öffnete sich wieder, es war unersättlich, nie war es müde, nie hatte es genug, (...).
Es gab viel in der Grottenbahn, aber nur das eine zählte. (...) Da war die Stadt am blauen Meer, die vielen weißen Häuser am Hang eines Berges, fest und ruhig stand alles da, hell erleuchtet in der Sonne, der Zug blieb stehen und nun war die Stadt am Meer zum Greifen nah. (...) da donnerte es schrecklich, es wurde finster, ein fürchterliches Winseln war zu hören, der Boden rüttelte, wir wurden geschüttelt, es donnerte wieder, es blitzte laut: alle Häuser von Messina standen grell in Flammen.
Der Zug setzte sich in Bewegung, wir verließen die Trümmerstätte. Was dann noch kam, das sah ich nicht. Taumelnd verließ ich die Grottenbahn und dachte, nun werde alles zerstört sein, der ganze Wurstelprater, die Buden und drüben die riesigen Kastanien. Ich griff an die Rinde eines Baumes und suchte mich zu beruhigen. Ich stieß daran und fühlte seinen Widerstand. Er war nicht zu bewegen, der Baum stand fest, nichts hatte sich geändert, ich war glücklich. Es muss damals gewesen sein, dass ich die Hoffnung auf Bäume setzte."
Elias Canetti: Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend. Frankfurt/ M. 1977
Ansichtskarten, Sammlung Nagel |
* Quelle der Ausführungen zum "Neuen Elysium": Marion Krammer: "Neues Elysium". Unterirdische Wanderung durch die Welt. In: Ursula Storch (Hg.): Zauber der Ferne. Imaginäre Reisen im 19. Jahrhundert. 352. Ausstellung des Wien-Museums. Wien 2008, S.126
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen