Montag, 7. Juli 2008

Kopf ab!


Jugend 1928, H.20 (Friedrich Heubner)

Ein großer Freund des neuen „Wachsfigurenkabinetts“ der „Madame-Tussauds-Group“ (http://www.merlinentertainments.biz/) in Berlin bin ich nicht: Verringert es doch die Chancen für eine ursprünglich geplante Wiedererstehung des traditionsreichen alten Berliner Panoptikums, das vielleicht weniger spektakulär und groß war, dafür aber umso mehr Atmosphäre der Wachsfigurenkabinette früherer Zeiten vermittelte. Jedenfalls hat das neue Etablissement gleich zur Eröffnung die denkbar beste Werbung bekommen, als der umstrittenen Hitler-Figur von einem Besucher der Kopf abgerissen wurde. Die Schaustellungen von (Massen-)Mördern und Despoten gehör(t)en zu einem Wachsfigurenkabinett wie Abnormitäten, Reliquien, Folterinstrumente und abschreckende medizinische Moulagen; solche Exponate erzeugten die vielfach beschriebene schauderhafte Wirkung der Kabinette. Andererseits sind Vorbehalte gegen die Aufstellung der Hitler-Figur in der ehemaligen Reichshauptstadt nachvollziehbar. Mir fällt hier ein Abschnitt aus Friedrich Holländers Lebenserinnerungen ein: “(...) Dafür war die Schreckenskammer jederzeit geöffnet. Haarmann mit dem Hackebeil, Giftmariechen mit dem Silberblick, der schiefe Otto mit der Würgehand. Wie schön! Und vor allem das Guckloch in die Hölle, in der nackte Damen ein Rasiermesser hinunterritten. Alles in Bewegung, für einen Groschen. Nebenan waren die Politischen: Iwan der Schreckliche, Luccheni, der Mörder der schönen Kaiserin Elisabeth. Ob sie den Herrn aus dem Münchner Bürgerbräu auch einmal ausstellen werden? Wie ich meine Deutschen kenne, werden sie ihn eines Tages dahin verfrachten. Und eines Tages werden sie ihn wieder herausholen.” (Von Kopf bis Fuß. Revue meines Lebens. Berlin 2001(1965), S.132)