Dienstag, 7. Januar 2014

Kirmestreiben


Karussells boten in früheren Zeiten nicht nur Kindern ein Vergnügen.
Später wurde mit Vorliebe bei  Raupenbahnen und Autoscootern geflirtet.
(Abbildung aus einer französischen Illustrierten von 1941, Sammlung Nagel)

Detail einer Bildpostkarte um 1900, Sammlung Nagel
Viele Vergnügungen auf der Kirmes waren seit jeher erotischer Natur. Für die junge Landbevölkerung bot der Jahrmarkt im nächstgelegenen größeren Ort eine der wenigen Möglichkeiten, in einer gelösten Atmosphäre Kontakte mit dem anderen Geschlecht außerhalb des eng begrenzten Lebensraums zu knüpfen, und oft war der Jahrmarkt gleichzeitig auch ein "Heiratsmarkt".
Hierin mag der der Grund dafür liegen, dass sich der "Rummel" zum Ort eines ausgelassenen, ja enthemmten Treibens entwickelte, das allenfalls noch mit dem Karneval oder den alten Narrenfesten zu vergleichen war. Die Traditionen, die sich vielerorts mit diesem "Kirmestreiben" entwickelt haben, ähneln daher auch nicht von ungefähr denen des Karnevals - bis hin zum abschließenden Verbrennen einer Puppe bzw. Vergraben eines Tierknochens, die gleichsam für die "Sünden" der vergangenen Tage standen.

"Lockvogel" vor einer amerik. Schau der 40er
Sammlung Nagel

Ein erotisches Fluidum verbreiteten darüber hinaus zahlreiche Schaubuden (siehe die Kapitel 6 und 8 unter www.schaubuden.de) sowie nicht zuletzt Bemalungen auf Schau-, Belustigungs- und Fahrgeschäften aller Art. Erwin Ross, "der Rubens von der Reeperbahn", war nicht von ungefähr auch als Schaustellermaler tätig.










Detail einer Malerei von Fritz Laube auf einem Belustigungsgeschäft



Als einen Grund für das vermeintlich maß- und sittenlose Treiben auf den Jahrmärkten beschreibt R. Wunderer in seinem sehr tendenziösen Buch "Hexenkessel der Erotik" (Stuttgart 1963), den "schlechten Geschmack der Masse".
Diese breite Masse hatte auf den Festplätzen dabei stehts ihre Favoriten, wenn es ums Näherkommen und Flirten ging. In früheren Zeiten war dies das "Teufelsrad" - ein "Belustigungsgeschäft" im wahrsten Wortsinn, das seinerzeit wie kein anderes für ungezwungenes Vergnügen stand.

Ringelpiez mit Anfassen: Illustration aus einer Zeitschrift von 1911
Sammlung Nagel