Mittwoch, 20. September 2023

Hüa!




Um die vorletzte Jahrhundertwende gehörten "Hippodrome" zum Erscheinungsbild der Jahrmärkte. Hier bot sich den, dem Anlass entsprechend oft im Sonntagsstaat gekleideten Volksfestbesucherinnen und -besuchern die Gelegenheit, sich einmal ganz im Stil der "feinen Herrschaften" hoch zu Ross fortzubewegen. 
Die Fassaden der Geschäfte waren entsprechend "vornehm", d.h. prunkvoll gestaltet und mit Reitszenen aus der hochherrschaftlichen Welt bemalt.


Natürlich boten die unerfahrenen, noch dazu um einen angemessenen Habitus bemühten Reiterinnen und Reiter Anlass zur Belustigung des umstehenden Publikums und das Hippodrom wurde zu einem beliebten Sujet humoristischer Bildpostkarten.



In den späten 20er Jahren kamen die "Autoselbstfahrer" auf und erfüllten den gleichen Zweck. Autos waren lange Zeit nur für die Reichen erschwinglich, im Autoscooter konnte jedermann für einige Runden mit der Braut im Arm in betont lässiger Art erfahrener Vielfahrer einige Runden drehen. 


Autoscooter erfreuen sich bis die Gegenwart bei Teenagern aus ganz ähnlichen Gründen großer Beliebtheit und zählen zur Standard-Beschickung jeder Kirmes. 
Das Hippodrom lebte bis vor einigen Jahren als Ponyreitbahn für Kinder fort.    

Abbildungen Sammlung Nagel

Sonntag, 1. Januar 2023

lost museum IV - Markt- und Schaustellermuseum Essen

 
Mitten in Essen, unweit des Hauptbahnhofs, befand sich in einem ehemaligen Fabrikgebäude das aus der Sammlung des 2011 verstorbenen Schaustellers Erich Knocke hervorgegangene Schaustellermuseum*. Nun ist auch dieser Erinnerungsort einer untergegangenen Unterhaltungskultur Geschichte. Vielleicht wird das ein oder andere Exponat an anderer Stelle zu bestaunen sein, aber einmal mehr ging eine besondere Stätte purer Schau-Lust verloren.   
In diesem herrlich unstrukturierten, vollgestopften, unübersichtlichen Sammelsurium unterschiedlichster Exponate stießen Besucherinnen und Besucher ständig auf unerwartet Skurriles, Wertvolles, Banales, Rares, Kitschiges, Beeindruckendes - da wurde jeder Besuch zu einer Entdeckungsreise in vergangene (Traum-)Welten.
Zwischenzeitlich war im Gespräch, die Sammlung in der ehemaligen Kokerei Zollverein unterzubringen. Die Gebäude mit ihrer unvergleichlichen Atmosphäre, in denen vor nun schon fast einem Vierteljahrhundert die fantastische Ausstellung "Sonne, Mond und Sterne" gezeigt wurde, wären der ideale Ort für eine stimmungsvolle Präsentation vergangenen Kirmeszaubers gewesen ...


* dazu eine Buchempfehlung: Erich Knocke (Hg.): Gesammeltes Vergnügen. Das Essener Markt- und Schaustellermuseum. Essen, Klartext 2000 - mit sehr lesenswerten Beiträgen von Michael Zimmermann, Angelina Wuszow, Florian Dering, Zeev Gourarier, Lisa Kosok und Kasper Maase