Der Jahrmarkt bot vor allem in früheren Zeiten Jugendlichen eine der wenigen Gelegenheiten, einmal richtig über die Stränge zu schlagen, sich darzustellen und zu beweisen – nicht zuletzt mit Blick auf das andere Geschlecht.
Schießbude, „Hau den Lukas“ und Elektrisiermaschine, die man(n) keinesfalls losließ, wenn der Zeiger noch auf „Halbstarker“ oder gar „Schlappschwanz“ stand, boten u.a. Gelegenheiten zur Selbstdarstellung; die auf vielen Schützenfesten und Kirmessen obligatorischen Prügeleien in aufgeheizter und angetrunkener Stimmung zu vorgerückter Stunde in weit weniger schadloser Form ebenfalls.
Formen körperlicher Auseinandersetzung wurden aber auch von den Schaustellern in vielfältiger Weise institutionalisiert, so zum Beispiel in den Stabuffs, in denen Ring- und Boxkämpfe ausgetragen wurden. Die Kämpfe waren dabei durchaus nicht immer getürkt und viele Jugendliche aus den Vorstädten und umliegenden Dörfern nutzten die Chance, es vor den Augen ihrer „Kumpels“ oder ihrer „Braut“ mit einem Kirmesringer oder –boxer aufzunehmen. Wenn sie letzteren dabei zu sehr provozierten, konnte das sehr unangenehme Folgen für die Herausforderer haben…
Darüber hinaus wurde auf den Jahrmärkten lange Zeit auch gefochten:
Le Parade de Boulevard de Sailnt-Aubin (1760) |
In erster Linie gehörten fahrende Fechter zur Gruppe der „Klopffechter“, die selbst unter den „unehrlichen Leuten“ auf einer besonders niedrigen Stufe angesiedelt waren, fast gleichgesetzt mit Räubern. (2)
Obwohl die „Künste“ der Klopffechter, die allein auf die Schauwirkung bzw. einen größtmöglichen Unterhaltungswert abzielten, unter seriösen Fechtern ein denkbar schlechtes Ansehen genossen, hatten sie als Jahrmarktsattraktion einen großen Zuspruch beim einfachen Volk:
„Daher kommt, wann etwan ein neuer marktschreier, gaukler oder spiler angelanget, dass man den mit grossem zulauf zu sehen und zu hören sucht: insbesonderheit lauft die menge zusammen, wann neue zweikämpfer und fechter ankommen, um zu sehen, wie diesselben auf einanderen loss gehen, einanderen parieren, hieb, stich und schläg versetzen.“ (3)
„Besondere Arten der Klopffechter“ waren die sogenannten „Katzenritter“. Sie zeigten riskante Tierhetzen und -gefechte, womit die Aktivitäten der Klopffechter insgesamt an alte römische Gladiatoren- und Tierhetzschauspiele erinnern. (4)
Klopffechter bzw. Katzenritter wurden im 17. und 18. Jahrhundert unterschiedslos zu den übrigen fahrenden Artisten gezählt, eine Gleichsetzung, die insbesondere auch Rückschlüsse über das Ansehen von Gauklern und Komödianten zulässt:
„So sagt z.B. Chr. Gerber in seiner Schrift ’Sünden der Welt’ (…): ’solche sind nun die unseligen gaukler, seiltänzer, taschenspieler, comoedianten, feuerfresser, klopfechter und wie das geschmeiss alles mag genennet werden, (…).’“ (5)
Entsprechend dieser Gleichsetzung der Erscheinungsformen fahrender Artisten richteten sich auch obrigkeitliche Maßnahmen oft unterschiedslos auf mehrere dieser Gruppen:
„(…) bestimmen die bairischen Landrechte von 1533 und von 1616, fol.164, dass ein Kind enterbt werden könne: `so ohne der Eltern Willen sich in leichtfertig Übung und Bubenleben begebe, als ein Freyhartsbueb oder ein Gauckler wurde, oder liesse sich, mit den Thieren zu kämpfen, umb Geld bestellen.` “ (6)
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts erlahmte das Interesse am öffentlichen Schaufechten, Tierhetzen blieben hingegen bis zum Ende des Jahrhunderts recht populär. In Wien entstand sogar ein großes überdachtes „Hetztheater“ für mehrere tausend Zuschauer. (7)
Schaukämpfe mit Schwertern erleben mit dem Aufkommen der populären Ritterspiele und „mittelalterlichen Märkte“, die in der Regel ein überaus verzerrtes Bild vom Treiben auf den Jahrmärkten des Mittelalters liefern, seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine große Renaissance.
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(1) Schaer, Alfred: Die altdeutschen Fechter und Spielleute. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Straßburg 1901, S.33 (2) vgl. Danckert, Werner: Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe. Bern 1963, S. 224 (3) Schweizerisches Idiotikon 1688. Bd.1, S.667, zit.n. Schaer 1901, S.51 (4) vgl. Hampe, Theodor: Die fahrenden Leute in der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1902 (= Monographien zu deutschen Kulturgeschichte, hg. von Georg Steinhaufen.18) S.11f; Schaer 1901, S.41 (5) Schaer 1901, S.66 (6) ebenda S. 44 (7) siehe Hampe 1902, Beilage 2
Gemälde von Gabriel Jacques de Saint-Aubin aus der Londoner Nationalgalerie in: Daheim.
Ein deutsches Familienblatt. 48. J.g. Nr.11, 16. Dezember 1911, S.21
Gemälde von Gabriel Jacques de Saint-Aubin aus der Londoner Nationalgalerie in: Daheim.
Ein deutsches Familienblatt. 48. J.g. Nr.11, 16. Dezember 1911, S.21
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