Abbildung aus dem Führer einer "Anantomi- schen Ausstellung" vom Anfang des 20. Jh. Sammlung Nagel |
Das Dresdner Hygienemuseum zeigt zur Zeit in der Sonderausstellung "Körper-Blicke-Sensationen" Wachsfiguren und Moulagen des Wachskabinetts der Familie Hoppe.
Obwohl die Zeit solcher "Anatomischen Museen" (1) schon lange vorbei war, reiste die Schau "Der Mensch in gesunden und kranken Tagen" bis in die Mitte der 1980er Jahre von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, und bot seinem Publikum Einblicke in die innere Beschaffenheit unseres Körpers und nicht zuletzt in verschiedene abstoßende krankhafte Veränderungen desselben. Die Besucher werden diese Show in erster Linie als nostalgisches Relikt vergangenen Kirmeszaubers angesehen haben, dabei aber jener eigentümlichen Mischung aus Ekel, Faszination, Voyeurismus, Grusel und Neugierde erlegen sein, die schon unsere (Ur-)Großeltern erfasste. Letztere trieb vordergründig Wissbegier in diese "wissenschaftlichen" Museen zur Volksaufklärung, letztlich ging es aber wie bei allen Schaustellungen - und heutigen "lehrreichen" "Anatomischen Ausstellungen", deren Exponate allerdings von ganz anderer Beschaffenheit sind (2) - häufig um Sensationsgier und Schaulust.
Dass frühere Anatomische Schaustellungen dabei durchaus zur "Volksgesundheit und -aufklärung" beigetragen haben, ist damit nicht in Abrede gestellt, waren die Informationsdefizite weiter Kreise der Bevölkerung beispielsweise in Bezug auf die Schwangerschaft doch besonders groß. Hinzu kam die Drastik, mit der die Folgen einer ungesunden Lebensführung, (Geschlechts-)Krankheiten oder gar stümperhafte Abtreibungsversuche durch die wächsernen Lehrstücke vor Augen geführt wurden.
Die Dresdner Ausstellung vermittelt nicht zuletzt durch die hervorragende Ausführung der Arbeiten erstklassiger Modelleure viel von dem besonderen Reiz, den solche Objekte in früheren Zeiten ausgestrahlt haben. Dabei bedient sich die museale Konzeption nicht der "Panoptikumsmethode" (3) - was hier mehr als nahe gelegen hätte: Statt die Ausstellungsstücke quasi in den ihnen angestammten Raum durch seine Nachempfindung zurückzuführen, werden sie unter Würdigung ihrer kunsthandwerklichen Qualität in einem modernen musealen Rahmen präsentiert, der darüber hinaus Bezüge zur zeitgenössischen Kunst sowie zum Surrealismus (4) aufzeigt.
(2) ... Totgesagte leben länger: Werbung einer reisenden "Anatomischen Ausstellung" zu Beginn des 21. Jahrhunderts |
(1) siehe Kapitel 1 von www.schaubuden.de
(3) siehe http://schaubuden.blogspot.de/2013/02/mehr-oder-weniger-wilde-und-die.html
(4) siehe http://schaubuden.blogspot.de/2011/07/der-falsche-doktor-und-die-surrealisten.html
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