Montag, 1. August 2016

Lunapark


Titelillustration von Theo Köves

"Wenn der Berliner nicht weiß, was er anfangen soll - dergleichen kommt vor -, dann geht er gern in den Lunapark. Der eine geht aus Überzeugung hin; der 'Jebildete' nur zum Spaß. Der Lunapark hat für jeden etwas in der Tüte. Hier darf er sich amüsieren. Er muss nur stehen bleiben, die Augen und Ohren offen halten und - schon tritt der Spaß den Menschen an. Gegen eine Mark Entree.
Zunächst gerät man in eine nächtliche Hölle von Lärm und Licht. Man versinkt in Radau und Menschen, wird anonym und sogar ein bisschen leichtfertig. Als trüge man eine Karnevalsmaske, die von allen Sorgen und aller Wichtigkeit freispricht. Und wenig später steht man auf Zehenspitzen, um zu sehen, was los ist. - Es ist vielerlei los. (...)" (Erich Kästner in der Neuen Leipziger Zeitung vom 11. September 1929)

Solche großzügig angelegten Vergnügungsparks mit Tanzlokalen, künstlichen Seen, Restaurants, Theatern, Verkaufsbuden, Geschicklichkeits-, Belustigungs-, aufwändigen Fahr- sowie wenigen Schaugeschäften entstanden nach Vorbildern wie dem Prater in Wien oder dem Tivoli in Kopenhagen in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg in den Randbezirken vieler Großstädte. Der von Kästner beschriebene Lunapark in Berlin-Halensee war einer der größten seiner Art in Deutschland. Anfang der 1920er Jahre wurde er unter Mitwirkung des herausragenden Plakatgestalters und Bühnenbildners Josef Fenneker neu gestaltet, und viele Attraktionen erstrahlten zeitweise in Fennekers expressiver, bizarrer Farb- und Formgebung, die auch seine fantastischen Filmplakate für das "Marmorhaus" am anderen Ende des Kurfürstendamms auszeichneten.
Weitere Lunaparks existierten u.a. in Leipzig, Hamburg und Dortmund. Obwohl sie sämtlich nur kurze Zeit existierten und spätestens infolge der Weltwirtschaftskrise schlossen, bildeten die Lunaparks doch eine Zeit lang in vielen Städten Zentren der Vergnügungskultur breiter Schichten.
So richtig "rund" ging's im LUNA-Park dabei erst nach Sonnenuntergang - und nicht von ungefähr widmete das "Herrenmagazin" "Reigen" dem Park am Halensee 1924 eine Art Themenheft.




Lunapark 1924
(Heinz Pringsheim)

Im Lunapark steht die Saison bereits bereits im vollsten Flore,
Die siebenzigste Attraktion eröffnet ihre Tore.
Das Feuerwerk steigt in die Luft in buntesten Ergüssen.
Die Leute kommen angepufft mit Aut- und Autobüssen.
Drum woll'n auch wir ganz wie in frühern Jahren
Im Teufelsrad und auf der Rutschbahn fahren!

Die Lampen glühn, die Nacht ist klar, der Halensee rauscht leise,
Komm, Liebste, in die Lunabar, dort drehn wir uns im Kreise!
Die Jazzband spielt mit klapp und klipp und vielen Kantilenen,
Wir trinken einen Mokkaflipp und sieben blut'ge Tränen,
(...)

Noch einmal schnell die Rutschbahn rauf, die Rutschbahn wieder runter!
Fürwahr, der ganze Lebenslauf wir immer kunterbunter.
Noch staunt man jeder Attraktion mit viel Gefühl entgegen,
Mein liebes Kind, das gibt sich schon, das wird sich wieder legen.
Wie sollt' mir alles das nicht fad erscheinen,
Vergleich ich es mit deinen Märchenbeinen!


Teufelsrad

... und Toboggan waren immer zu finden.


Abbildungen: Sammlung Nagel


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