Dienstag, 27. Mai 2008

E.T.A.

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Für E.T.A. Hoffmann (1776-1822) übten die Attraktionen des auf den Jahrmärkten offensichtlich eine große Faszination aus. Die Beschreibung der Kunststücke der Schützlinge eines „Flohbändigers“ im „Meister Floh“ (1822) zeigt, dass es „Flohcircusse“, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung, schon Anfang des 19. Jahrhunderts gab.
Interessant sind auch die Aussagen über Wachsfigurenkabinette in „Die Automate“ von 1814. Die Erzählung belegt, dass in Panoptiken schon damals „Mörder“ und „Spitzbuben“ ausgestellt waren und die Etablissements wohl von jeher eine unheimliche Atmosphäre vermittelten.
Ganz besonders war Hoffmann von Automaten eingenommen, weniger allerdings von den „Tändeleien, wie sie wohl öfters auf Messen und Jahrmärkten gezeigt werden“ (Die Automate), als vielmehr von den erstaunlichen Kunstwerken großer Mechaniker.
Das Automatenthema taucht immer wieder auf, u.a. natürlich im Sandmann. In dieser faszinierenden wie beklemmenden Erzählung geht es um die „Liebe“ des Studenten Nathanael zur „Automatin“ Olimpia.
Die künstlichen Menschen bei E.T.A. Hoffmann waren und sind ein beliebtes Thema für literaturwissenschaftliche Abhandlungen, u.a. auch von Autoren mit marxistischen Ansatzpunkten. (exemplarisch Lienhard Wawrzyn: Der Automaten-Mensch. E.T.A. Hoffmanns Erzählung vom Sandmann. Berlin 1985) Zum Teil scheinen mir solcherlei Interpretationen trotz dogmatischer Herangehensweisen nicht ganz abwegig. Der Automatenmensch ist der „bürgerliche“, „entfremdete“, eben „künstliche“ Mensch mit einem eingeschränkten Verständnis von „Wirklichkeit“ bzw. einer beschränkten Sicht auf die Welt:
„Ach diese zauberhaften Entzauberer, diese liebenswerten Entwerter der Liebe, sie sind ja Gespenster, und doch Alltagswesen, langbeinig und mit Wimpernprothesen, und selbstverständlich physisch vollkommen, und selbstverständlich aufgeklärt.- Noch keine Berufsfeministinnen, das macht den Vorzug wie auch den Nachteil ihres Charmes. Sie sind Erzeuger der Sehnsucht nach etwas, das sie ihrem Wesen nach nicht sind, auch darin repräsentieren sie (…) einen Zug nicht nur des Bürgertums. – Idealinkarnationen der praktischen Vernunft, aber denkt man sie zu Ende, heißt ihre Königin Olimpia. – Die Gesellschaft der Programmierten. – Doch nicht die Automatin ist das Schauerliche, sondern dass sich einer bis zum Wahnsinn in sie verliebt.
Freilich: Er braucht dazu eine besondere Brille.“

(Franz Fühmann: Fräulein Veronika Paulmann aus der Pirnaer Vorstadt oder Etwas über das Schauerliche bei E.T.A. Hoffmann. München 1984, S.104)
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